«Moderner Text trifft heutiges Empfinden» – Domkapellmeister Andreas Gut über «Stille Nacht, heilige Nacht»

200 Jahre alt ist der Liedtext von «Stille Nacht, heilige Nacht». Vor elf Jahren verfasste die Ordensfrau und Schriftstellerin Silja Walter (1919 – 2011) aus dem Kloster Fahr AG eine zeitgemässe, «entkitschte» Version. Warum setzte sich diese nicht durch? Zum Jubiläum sprach das Pfarreiforum mit Andreas Gut, Domkapellmeister an der Kathedrale St.Gallen.

Auszug aus «Pfarreiforum» 12 / 18 – Dezember 2018

www.pfarreiforum.ch (eg)

Pfarreiforum: Was halten Sie vom Weihnachtslied «Stille Nacht, heilige Nacht», das im Kirchengesangbuch unter der Nummer 341 zu finden ist?

Andreas Gut: «Für viele Menschen auf der ganzen Welt steht ‹Stille Nacht, heilige Nacht› auch heute noch unangefochten auf Platz eins der Weihnachtslieder. Ich persönlich bin hin und her gerissen. In der Weihnachtszeit spricht auch mich dieses Lied emotional sehr an, auch wenn es andererseits ‹eigentlich› hoffnungslos nostalgisch ist.»

Pfarreiforum: Warum ist das Lied trotzdem heute noch so beliebt?

Andreas Gut: «Der Text und die Wiegenlied-Melodie lassen das Weihnachtsgeschehen perfekt aufleuchten und vergegenwärtigen es: die Patchwork-Familie im Stall, die Krippe mit dem göttlichen Kind, die Tiere, die Hirten, die Engel. Es ist nicht einfach Kitsch, sondern es lässt eine Identifikation zu und spricht die Sehnsucht nach idealem Zusammensein in der Familie an. Heute wollen viele Menschen ‹nüchtern› sein, doch an Weihnachten soll es romantisch sein.»

Photo by Adriaan Greyling

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